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Wasserrad

Ein Wasserrad ermöglicht die Verrichtung von Arbeit, indem es die potenzielle und kinetische Energie des Wassers nutzt. So können Arbeitsmaschinen wie beispielsweise Mahlwerke oder Generatoren angetrieben werden.

In industrialisierten Regionen dienen die meisten Wasserräder heute jedoch nicht mehr der Energiegewinnung, sondern eher nostalgischen Zwecken. Dort, wo noch ein Wasserrecht vorhanden ist und eine ausreichende, gleichmäßige Wasserkraft vorliegt, wird die Energie durch Turbinen ausgenutzt. Daher ist in industrialisierten Regionen die wirtschaftliche Bedeutung der Wasserräder heute nur noch gering. Die meisten Wasserräder stehen heute in den zahlreichen Museen, einige treiben kleinere Generatoren an und dienen der Stromerzeugung.

Ein zu wenig beachteter Vorteil der Wasserräder gegenüber den kleinen Turbinen ist, dass es ohne Regelung und auch mit stark schwankenden Wassermengen betrieben werden kann, ohne nennenswerte Einbußen beim Wirkungsgrad.

Die überwiegende Masse an Wasserrädern steht aber in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens, wo sie auch heute noch ein absolut unerlässliches Hilfsmittel sind. Vor allem Landwirtschaft ist ohne Wasserräder auch heute noch undenkbar.

Geschichte

Die Erfindung des Wasserrads stellte einen Meilenstein in der technischen Entwicklung der Menschheit dar, da durch die Nutzung der Wasserkraft gegenüber der Muskelkraft sehr viel mehr mechanische Energie nutzbar gemacht werden konnte.

Zu Anfang dienten Wasserräder der Bewässerung in der Landwirtschaft, als Schöpfrad zum Heben von Wasser. Solche Schöpfräder sind seit vielen Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen verbreitet, etwa in Ägypten, Syrien, Indien und China. Man geht davon aus, dass die ersten Wasserschöpfräder um 1200 v. Chr. in Mesopotamien betrieben wurden.

Bei Wasserschöpfrädern sind Wasserkübel (auch "Kümpfe" genannt) direkt an dem Wasserrad mit seinen Schaufelbrettern angebracht, das durch die Strömung angetrieben wird. Es ist also keine Kraftübertragung über die Achse notwendig. Im Bereich des höchsten Punktes des Rades entleert sich der Inhalt der Wasserkübel in ein Auffangbecken, von wo aus es in einen Bewässerungskanal fließt. Die berühmten Wasserschöpfräder (Norias) in Hama in Syrien gelten als die größten der Welt. Sie überwinden mit entsprechend großen Raddurchmessern Höhenunterschiede von z.T. über 30 Metern. Seit dem Mittelalter hielt diese Technologie auch in Mitteleuropa Einzug, wohl nachdem Kreuzfahrer diese in Vorderasien kennengelernt hatten. Hier sind sie in den letzten Jahrzehnten durch moderne Bewässerungsanlagen weitgehend verdrängt worden und heute sehr selten geworden. Beispielsweise sind in Möhrendorf an der Regnitz noch neun historische Wasserschöpfräder in Betrieb, die bereits für den Anfang des 15. Jahrhunderts belegt sind.

Bereits in römischer Zeit wurden Wasserräder auch für den Antrieb von Mahlmühlen genutzt. Der römische Baumeister und Ingenieur Vitruv beschreibt in seiner "architectura" aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. sowohl das Prinzip des Wasserschöpfrads als auch das der Wassermühle in ausführlicher Weise. Seit dem 12. Jahrhundert waren Wassermühlen in Mitteleuropa weit verbreitet. Später kam die Nutzung in Ölmühlen, Walkemühlen, Sägemühlen, Hammerwerken und Schleifmühlen hinzu. Bei der beginnenden Industrialisierung diente das Wasserrad zum Antreiben von Maschinen über die ersten Transmissionen. Auch im Bergwerkswesen wurden sie zum Materialtransport und zur Entwässerung der Gruben eingesetzt, so beispielsweise im Oberharzer Wasserregal.

Eine ausreichende Wasserversorgung war ein wichtiger Punkt in der Standortbewertung der damals entstehenden Fabriken im Gegensatz zu anderen Standortkriterien in der heutigen Zeit. Ein wesentlicher Punkt waren auch die notwendigen Wasserrechte um ein Wasserrad zu betreiben. So findet man heute noch Eigentumsrechte von alten Industriebetrieben im Quellgebiet von Flüssen oder größeren Bächen, die von den heutigen Eigentümern nicht genutzt werden.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichten die aufkommenden Wasserturbinen, viel größere Wassermengen und höhere Gefälle auszunutzen. Durch die Einführung der Elektrizität musste die Energie nicht mehr vor Ort mechanisch übertragen werden, sondern konnte in elektrischen Strom umgewandelt werden. Es entstanden Wasserkraftwerke, welche auf Grund ihrer schieren Größe billiger produzieren konnten und die kleinen Kraftwerke mit Wasserrad allmählich verdrängten. Der Versuch, die vergleichsweise kleinen Wasserräder durch Turbinen zu ersetzen, schlug vielfach fehl, da beide Antriebe völlig unterschiedliche Eigenschaften haben.

Bauformen von Wasserrädern

Wasserräder können nach Art des Wasserzulaufs klassifiziert werden. Je nach Gefälle, der Differenz zwischen Zu- und Ablauf (Ober- und Unterwasserspiegel) werden verschiedene Wasserräder eingesetzt.

Oberschlächtiges Wasserrad

Beim oberschlächtigen Wasserrad strömt das Wasser über eine Rinne, das so genannte Gerinne etwa beim Radscheitel in die Zellen des Rades. Man spricht daher auch von einem Zellenrad. Das Rad wird durch die Gewichtskraft des aufgenommenen Wassers in Bewegung versetzt, nutzt also dessen potenzielle Energie.

Im Gegensatz zur Wasserturbine benötigt ein oberschlächtiges Wasserrad keinen Rechen um Treibgut herauszufiltern und der Wirkungsgrad ist weniger abhängig von Schwankungen der Wassermenge. Das Einsatzgebiet liegt bei Gefällen von 2,5 m bis 10 m (typisch 4 bis 5 m) und Wassermengen bis zu 0,7 m³/s. Das Wasser wird bei einem kleinen Wehr einige 100 m oberhalb des Wasserrades abgezweigt und in einem künstlichen Kanal mit wenig Gefälle zum Rad geleitet. Dieser Kanal wird oft als Mühlbach oder oberer Mühlgraben bezeichnet. Das Wehr dient der Regulierung der zuströmenden Wassermenge und wird bei Nichtgebrauch des Rades geschlossen. Der letzte Teil des Kanals vor dem Rad – das Gerinne – besteht meist aus Holzbrettern. Unter optimalen Bedingungen (insbesondere Schaufeln aus Stahlblech) werden Wirkungsgrade von über 80% realisiert.

Eine besondere Bauform ist das Kehrrad. Es wird ausschließlich oberschlächtig beaufschlagt und besteht aus zwei Wasserrädern, die aneinander gebaut sind und sich in beide Richtungen drehen können. Je nach dem, auf welche Seite das Wasser strömt, kann sich das Rad in die eine oder in die andere Richtung drehen. Dieses Prinzip wurde hauptsächlich im Bergbau angewandt.

Mittelschlächtiges und rückschlächtiges Wasserrad

Modernes mittelschlächtiges Wasserrad der Wassermühle [[Sythen in Schweißkonstruktion]]

Mittelschlächtige Wasserräder werden etwa auf Nabenhöhe beaufschlagt ("vom Wasser getroffen") und nutzen teilweise auch die kinetische Energie des Wassers. Sie können sowohl als Zellenrad als auch als Schaufelrad gebaut werden. Mittelschlächtige Zellenräder werden auch rückschlächtig genannt, sie werden ähnlich wie oberschlächtige Räder gebaut, drehen aber in die entgegengesetzte Richtung. Der Übergang zu unterschlächtigen Rädern ist fließend, auch Zuppinger-Räder (siehe Unterschlächtiges Wasserrad) können fast auf Nabenhöhe beaufschlagt werden.

Manche mittelschlächtige Räder haben einen Kulisseneinlauf ('a' in der Schemaskizze]. Das ist eine meist verstellbare Leitvorrichtung, welche das Wasser in mehrere Teilstrahlen (meist 3) aufteilt und dem Rad einer bestimmten Richtung zuführt.

Unterschlächtiges Wasserrad

Bei unterschlächtigen Wasserrädern fließt das Wasser unter dem Rad in einem Kropf durch. Der Kropf ('K' in der Schemaskizze zum mittelschlächtigen Wasserrad) ist eine Führung, welche dem Rad angepasst ist. Sie verhindert, dass Wasser unterhalb und seitlich der Schaufeln abfließt, ohne es anzutreiben.

Die Kraftübertragung geschieht über Schaufeln, man spricht daher auch von Schaufelrädern. In ihrer einfachsten Form bestehen die Schaufeln aus einem Holzbrett, bessere Wirkungsgrade werden jedoch mit speziell gebogenen Blechschaufeln erzielt. Das Rad wird zu einem relevanten Teil durch die kinetische Energie des unter ihm fließenden Wassers angetrieben, aber auch bei unterschlächtigen Rädern ist das Gefälle und mit ihm die potenzielle Energie leistungsbestimmend.

Das Einsatzgebiet liegt bei Gefällen von 0,25 bis 2 m und Wassermengen über 0,3 m3/s. Unter optimalen Bedingungen, insbesondere, wenn der Spalt zwischen Kropf und Rad klein ist, werden Wirkungsgrade von über 70% erzielt. Wegen des geringen Gefälles steht das Wasserrad normalerweise direkt beim Wehr.

Aus dem 19. Jahrhundert stammt das Zuppinger-Rad, welches durch evolventenförmige Schaufeln einen höheren Wirkungsgrad erzielt.

Tiefschlächtiges Wasserrad

Das tiefschlächtige Wasserrad kommt ohne Gefälle aus. Anders als beim unterschlächtigen Wasserrad gibt es hier keine Kulisse. Das Rad wird allein durch den Strömungswiderstand der Schaufelbretter angetrieben.

Das Prinzip findet besonders bei Wasserschöpfrädern seine Anwendung. Naturgemäß werden diese vorwiegend an Stellen mit geringem Gefälle betrieben, da das Wasser für die Bewässerung sonst i.d.R. ganz ohne Wasserrad an einer höher gelegenen Stelle abgeleitet werden könnte. Besondere Verbreitung haben diese Räder nicht zuletzt an großen Strömen wie Euphrat, Tigris, Nil und Indus gefunden. Je kleiner die Schöpfkübel (Kümpfe), und je weniger Schöpfkübel am Rad angebracht sind, desto größer ist der Höhenunterschied, der bewältigt werden kann. Auf diese Weise können mit entsprechend groß gewählten Raddurchmessern Höhenunterschiede von einigen Metern überwunden werden, bei den Schöpfrädern in Hama z.T. über 30 Meter. Reicht die vorhandene Strömung für die gewünschte Schöpfleistung nicht aus, so können zur Verstärkung der Strömung kleine Stauwehre ("Flügel") im Flusslauf errichtet werden, die dem Rad das Wasser im passenden Winkel zuführen. Bei den nur im Sommer betriebenen historischen Wasserschöpfrädern an der recht langsam fließenden Regnitz bei Möhrendorf werden diese Stauwehre - wie auch die Räder selbst - traditionell zu Beginn jeder Sommersaison neu errichtet.

Bei Schiffmühlen findet dieses Bauprinzip ebenfalls Anwendung. Hierbei liegt das Schiff fest vertäut im Fluss; das Wasserrad treibt die Mühle auf dem Schiff an. Die Schiffsmühle hat den Vorteil, dass sie mit dem Wasserspiegel aufschwimmt oder absinkt und dadurch immer die selbe Wassermenge zur Verfügung hat. Das umgekehrte Prinzip diente vor der Erfindung der Schiffsschraube den Raddampfern als Antrieb.

Sonderformen

  • Das Turas-Wasserrad ist ein einseitig gelagertes Wasserrad, wobei Getriebe und Asynchrongenerator eine geschlossene Einheit bilden. Die Lagerung befindet sich im Getriebe.
  • Das horizontale Wasserrad ist ein Vorläufer der Pelton-Turbine. Das Wasser strömt aus einer Düse auf die Schaufeln eines kleinen (Durchmesser ~1 m) Holzrades mit senkrecht gelagerter Achse. Es wird nur kinetische Energie genutzt. Mühlen mit horizontalem Wasserrad werden Stockmühlen genannt, das Rad treibt hier ohne Getriebe den Mahlstein an.

Literatur

  • Wasserrad, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 16, S. 427
  • Wilh. Müller: Die Wasserräder, Berechnung, Konstruktion und Wirkungsgrad Verlag Moritz Schäfer, Leipzig 1929.
  • Ferdinand Redtenbacher: Theorie und Bau der Wasserräder, 2 Bände, 2. Auflage, Mannheim 1858.
  • K. W. Meerwarth: Experimentelle und theoretische Untersuchungen am oberschlächtigen Wasserrad Dissertation TU Stuttgart 1935

Siehe auch

Weblinks